2011 war in Spanien mehr Fläche der biologischen Landwirtschaft gewidmet als in jedem anderen EU-Mitgliedsstaat. Die biologisch bebauten Flächen stiegen in diesem Jahr um 11.76% und betragen nun 1.845.039 Hektar. Fast alle spanischen Regionen verzeichnen einen solchen Anstieg und die Anzahl der Bäuerinnen und Bauern in diesem Bereich wuchs auf 32.837: im Vergleich zum Vorjahr ist dies ein Anstieg um 18.23%. Die Getreide-Produktion repräsentiert mit einer Fläche von 178.061 Hektar den größten Anteil an biologisch bebauten Flächen in Spanien.

Von Anfang an war die spanische Bio-Produktion export-orientiert, großteils aufgrund der starken Nachfrage in Mitteleuropa. Geschätzte 80% der Produktion werden exportiert, hauptsächlich in EU Länder (82,2%) und hier wiederum vor allem nach Deutschland, Frankreich und Großbritannien.

Spaniens Lust auf Bio

Im Durchschnitt konsumieren SpanierInnen im Jahr 35,4 Kilo an biologischen Produkten und wenden dafür etwa 29 Euro auf. Biologische Nahrungsmittel machen nun 1,9% der Gesamtausgaben eines durchschnittlichen spanischen Haushaltes aus (gegenüber einzig 1,7% im vorherigen Jahr).

Die Ausgaben für Bioprodukte stiegen ebenfalls um 6,3%, und für Biogemüse um 8,4% (diese Zahlen sind insofern bedeutend, als die Gesamtausgaben für Nahrungsmittel im gleichen Zeitraum um 1,6% gesunken sind).

Die am stärksten nachgefragten Bioprodukte sind Eier, Olivenöl, Gemüse und Obst. Interessant ist demnach, dass in Spanien unter biologischen Nahrungsmitteln (im Vergleich zu anderen EU Staaten) in erster Linie vegetarische Produkte verstanden werden: biologisches Fleisch oder Tierprodukte werden in Bio-Läden kaum oder gar nicht angeboten (sie werden vielmehr von nordspanischen Betrieben über das Internet vertrieben). Aufgrund dieses mangelnden Angebotes sind diese Produkte auch dementsprechend teuer.

Bio Organisieren

Die Porträts von Bio-Bäuerinnen und Bauern sind innerhalb Spaniens sehr unterschiedlich: von den riesigen Flächen für Gemüse, Obst und Oliven in Andalucia, über kleinbäuerliche Strukturen in der Region um Valencia und der Getreide Produktion im inneren des Landes bis zur Milchwirtschaft im Norden und der Ziegen- und Schafzucht in weniger bewohnten Gebieten.

Die Verteilung biologisch erzeugter Produkte hängt somit von den strukturellen Bedingungen der Region ab: In Regionen mit Monokulturen ist die Verteilung leichter zu organisieren (und ist großteils für den Export bestimmt) als in den Regionen, die weiter entfernt von großen Märkten liegen. Lokale Bauernmärkte existieren zwar; aber es ist oft sehr schwierig für Biobäuerinnen und –bauern erstens in den Markt einzutreten und zweitens mit der konventionellen Landwirtschaft zu konkurrieren. Zur Zeit entstehen Initiativen im ganzen Land, um Märkte zu organisieren, auf denen nur oder zu einem großen Teil Bio-Produkte angeboten werden. Ausländische Supermärkte bieten biologisch erzeugte Produkte an, doch in den meisten spanischen Ketten ist dies nicht der Fall.

Die heikle wirtschaftliche Lage in Spanien scheint den Bio-Sektor bis jetzt nicht zu gefährden, aber es ist schwieriger geworden, in nachhaltige Projekte zu investieren – obwohl dies ein möglicher Weg aus den mit der Wirtschaftskrise verbundenen hohen Arbeitslosenraten (vor allem für junge Menschen) sein könnte. Das Problem ist, dass vielen der kleinen Bio-Projekte das Startkapital fehlt, oder sie werden ohne jeglichen Unternehmergeist gestartet, dementsprechend gibt es hohe Fluktuation.

Die Barrieren zur Expansion Überwinden

Ein weiteres Problem ist das spanische Zertifizierungssystem, das von einer Region zur nächsten variiert. Während es in Katalonien zum Beispiel eine große Bandbreite an Bio-Produkten gibt, stehen Bäuerinnen und Bauern in der Nachbarregion Valencia, bei ähnlicher Landschaft und Klima, bürokratischen Barrieren gegenüber oder treffen auf andere Hemmschwellen die Produktion zu standardisieren. Im großen und ganzen bevorzugt das spanische Zertifizierungssystem große Betriebe und verlangt den selben (wenn nicht gar mehr) bürokratischen Aufwand von kleinen Familienbetrieben.

Diese Situation ist einer der Gründe dafür, dass manche der KonsumentInnen- wie auch der Bäuerinnen- und Bauernbewegungen nach neuen Wegen suchen, die Qualität der Produktion und der Produkte sicherzustellen. Eine der Lösungen ist der Direktkauf bei den ProduzentInnen, dies ist allerdings nicht immer nachhaltig und oft sind es auch zu wenige KonsumentInnen pro Betrieb; dieser Weg kann auch einen Marketing-Mehraufwand bedeuten, was eine beträchtliche Hürde für Kleinbäuerinnen und –bauern darstellen kann, denen oft die nötige Infrastruktur fehlt. Eine andere Lösung, die zur Zeit bei Treffen verschiedener ökologischer Bewegungen innerhalb des Bio-Sektors diskutiert wird, ist eine Form der partizipativen Zertifizierung: „der Prozess der Herstellung von Glaubwürdigkeit setzt die gemeinsame Partizipation aller Gruppen voraus, die daran interessiert sind, die Qualität des Endproduktes, wie auch des Produktionsprozesses sicherzustellen.“

Ein weiteres Hindernis für (biologische) Landwirtschaft in Spanien ist die derzeitige Politik, die GMOs, also Gentechnisch Modifizierte Organismen, unterstützt. Während quer durch Europa in immer mehr Ländern gentechnisch modifizierte Produktion beschränkt oder verboten wird, heißen die spanischen Behörden experimentelle und/oder kommerzielle Projekte, die auch GMOs inkludieren, die in anderen Ländern nicht zugelassen würden, willkommen. Trotzdem, fangen auch spanische Gemeinden langsam aber sicher an, die damit einhergehende Bedrohung der lokalen Landwirtschaft – nach wie vor ein wichtiger Sektor im ländlichen Spanien – zu verstehen und erklären sich selbst zu GMO-freien Zonen.

Initiativen von Unten

Ich möchte zuletzt vier Beispiele für spanische Bewegungen im biologischen Sektor anführen, welche die derzeitigen Entwicklungen und Widerstände repräsentieren:

  1. Die Anzahl von Netzwerken zum Saatgut-Tausch steigt, um zur Erhaltung der Agro-Biodiversität beizutragen. Sie sind innerhalb des nationalen „Red de Semillas“ Netzwerk organisiert;
  2. Agroökologische Bewegungen existieren auf lokaler und regionaler Ebene, zum Beispiel das Agroökologie Netzwerk von Castellón (XAC): als Informationsnetzwerk bezüglich Landwirtschaft und Ökologie organisiert es Trainings und Workshops, wie auch andere Ereignisse wie Saatgut-Tauschmärkte oder Bio-Märkte;
  3. In letzter Zeit gewinnt die Ernährungssouveränitätsbewegung, in Zusammenhang mit der Via Campesina Vereinigung von Kleinbäuerinnen und –bauern an Aufmerksamkeit;
  4. Nahrungsmittel- oder KonsumentInnen-Kooperativen entstehen innerhalb dieser Bewegungen, oder im Kontext der 15M Bewegung: einerseits, um die Verteilung biologischer Produkte selbst zu organisieren und andererseits, um eine kürzere Distanz zwischen ProduzentInnen und KonsumentInnen zu schaffen; diese Ziele tragen weiters dazu bei, wettbewerbsfähige Preise zu schaffen, was gerade in Zeiten der Wirtschaftskrise besonders wichtig ist.