Europa sollte sich beim Umgang mit den ankommenden Flüchtlingen auf diese Tatsache besinnen anstatt die Verantwortung anderen außerhalb Europas oder an dessen Rändern zuzuschieben. Dennoch muss auch offen gesagt werden, dass Integration ein langer und schwieriger Prozess ist. Wenn wir die großen Herausforderungen meistern wollen, denen wir in dieser neuen Phase des europäischen Projekts gegenüberstehen, dann brauchen wir nicht nur Geduld, sondern auch Phantasie.

Tine Danckaers: Manche sagen, dass Europa seine Außengrenzen nicht schützt; das liefe der Idee einer Union vollkommen zuwider. Sollten wieder die Nationalstaaten die Grenzsicherung übernehmen, wie es im Moment mit Schengen passiert?

Cohn-Bendit: Es stimmt, dass in einer Europäischen Union die Grenzen dieser Union zu ihren Außengrenzen werden. Politische Souveränität definiert sich über die Souveränität der Grenzen. Wenn wir allerdings von einer politischen Union sprechen, verliert die Idee nationaler Grenzen ihre Bedeutung. Die Grenzen der Union sind die Grenzen von allen. Schengen bedeutet, dass Binnengrenzen aufhören zu existieren, und dafür Außengrenzen anerkannt werden müssen. Wenn wir das akzeptieren, bedeuten gemeinsame Grenzen auch gemeinsame Souveränität und gemeinsames Heer. Und das bedeutet wiederum, dass diese Souveränität mithilfe politischer Institutionen aufgebaut werden muss, einer Polizei und einem Heer: Polizei und Heer verdeutlichen diese Souveränität und schützen sie. Also muss Europa seine Grenzen festlegen und sie als gemeinsame betrachten, wie auch die Aufgabe von deren Sicherung und Kontrolle gemeinsamt durchgeführt werden muss.

Zu lange haben wir vergessen (oder vorgegeben vergessen zu haben), dass mit Schengen unser Begriff von Souveränität hinfällig geworden ist, und dass die Übertragung der Souveränität von nationalen Grenzen auf europäische Grenzen ein wichtiger Schritt im Einigungsprozess Europas  war.

Und dann ist da Griechenland und die immer wiederkehrende Rede von einem Grexit. Was sagt das über unsere Solidarität aus? Was sagt das darüber aus, was eine Union ist, wo doch Griechenland eines der wichtigsten Einreiseländer in die Europäische Union darstellt?

Das Problem mit Griechenland ist, dass dieses Land mit gespaltener Zunge spricht, da es seine Grenze zur Türkei als eine Frage nationaler Souveränität ansieht. Es ist nicht leicht Griechenland dazu zu bringen, diese Grenze als eine euopäische Grenze anzusehen. Es stimmt, dass die griechischen, italienischen und spanischen Grenzen den Griechen, den Italienern und den Spaniern eine Reihe von Problemen bereiten – aber auch den Europäern. Vor drei Jahren haben Spanien, Italien und Griechenland um Verteilung der Flüchtlinge angesucht. Deutschland und Frankreich haben dieses Ansuchen mit der Begründung abgelehnt, dass der Dublin-Verordnung zufolge jedes Land selbst für seine Grenzen verantwortlich sei. Mit Dublin begannen die Fehler. Wir waren nicht mutig genug, die Frage der Grenzen – und damit die Asylfrage – in einem radikal europäischen Sinn zu fassen. Wir haben alle ein bisschen getrickst, besonders die Deutschen und die Franzosen. Dublin lief letztlich darauf hinaus, „die anderen” für verantwortlich zu erklären. Heute will Europa angesichts der Zahl ankommender Flüchtlinge eine strenge Kontrolle seiner Grenzen und hat Griechenland daher eingeladen, Teil des neuen Europäischen Grenzschutzprogramms zu werden. Griechenland hat natürlich abgelehnt: „Wenn ihr gemeinsame Grenzen wollt, dann zahlt auch.” Scheint mir verständlich.

Ist das nicht letztlich genau das, was wir in der Türkei machen? Die heiße Kartoffel weiterreichen?

Mit der Türkei ist es ein bisschen anders. Das Problem ist, dass die Schaffung gemeinsamer Grenzen – mit allem was man entlang dieser Grenzen aufstellen will – aus Sicht Griechenlands im Grunde ein europäisches Projekt ist, das angesichts der wirtschaftlichen Lage des Landes von Europa bezahlt werden muss. Ich weiß nicht wirklich, was man darauf antworten soll. In der Türkei hört man eine andere Version: Die Europäer sagen, Europas Fähigkeit Flüchtlinge auszunehmen und zu integrieren sei derzeit beschränkt. Wir sind scheinheilig. Wir sagen zur Türkei: „Ihr habt etwa 2,5 Millionen Flüchtlinge bei einer etwa gleich großen Bevölkerung wie Deutschland, und wir geben euch Geld um die Lager etc. zu verbessern, damit ihr noch etwa 500.000 Flüchtlinge aufnehmen könnt, zusätzlich zu denen, die ohnehin kommen.” Im Grunde behaupten wir also, dass die Türkei dreimal so viele Flüchtlinge aufnehmen kann wie Deutschland – bei vergleichbarer Bevölkerungsgröße. Hier ist der deutsche Vorschlag in der Tat nicht unbedingt verständlich. Die Deutschen würden es ermöglichen, in der Türkei einen Antrag auf Asyl in Deutschland stellen zu können, und würden damit den Zustrom kontrollieren und organisieren. Das ist genau das, was jetzt geschieht, und zwar unter Verweis auf ein humanitäres Argument, das nicht falsch ist. Wenn solche Einrichtungen im Libanon, in Jordanien etc. geschaffen würden, wären die Menschen nicht gezwungen, unter schrecklichen Bedingungen 3.000 bis 4.000 Kilometer zu Fuß zurückzulegen. Also sollte das nicht als bloße Grausamkeit betrachtet werden, wo es doch eine gute Erklärung für die Bemühungen gibt. Es wäre möglich, Asyl zu beantragen, egal ob sie sich nun in der Türkei oder in Jordanien befinden. Immerhin sind die Flüchtlinge, sobald sie in diesen Ländern sind, nicht mehr in ihren Herkunftsländern.

Flüchtlinge und asyl

Sie haben die Türkei genannt, den Libanon und Jordanien. Die Türkei bekommt Geld, aber Jordanien und der Libanon nicht. Dennoch ist die Situation dort dieselbe. Die Migranten haben keine Rechte; keine Bürgerrechte, keine Aussicht auf Staatsbürgerschaft.

Es ist wahr, dass sie keine Rechte haben. Es ist wahr, dass UNHCR kein Geld für die Camps in Jordanien hat (im Libanon gibt es keine Camps, dort sind die Flüchtlinge über das ganze Land verteilt, ohne irgendeine Hilfe oder irgendwelche Rechte). All das ist wahr. Wenn man sich nun auf den europäischen Standpunkt stellt, bleibt ein Problem. Sie können schreien so laut Sie wollen und immer wieder zu Solidarität aufrufen, es ist doch unmöglich. Es gibt heute nur ein Land: Deutschland mit Merkel. Alle Grünen blicken heute auf Merkel, denn wenn sie ihre Haltung ändert, ist es vorbei und die Grenzen machen dicht. Selbst jene Länder, die ihre Grenzen schießen wollen, sagen, dass sie ihre Grenzen nur offen halten können, solange Deutschland all jene Menschen aufnimmt, die sie nicht wollen. Es gibt also eine unglaubliche Scheinheiligkeit, weil wir Grenzen aufziehen – und was tun wir, um Flüchtlinge am Kommen zu hindern? Hunde, Stacheldraht, Wachtürme? Es ist ja nicht einfach eine Grenze entlang einer Straße mit einer einen Kilometer langen Öffnung im Süden und im Norden. Nein, das Schließen der Grenzen würde sehr nach einem abgeschlossenen Ostdeutschland aussehen. Diejenigen, die nach Grenzschließungen rufen, müssen uns zuerst erklären, wie sie das umsetzen wollen.

Niemand hat wirklich eine Antwort. Die einzige Lösung ist, die Aufnahme der Flüchtlinge zu organisieren und den Zustrom zu verlangsamen. Das kann nur durch die Schaffung von Aufnahmestellen und Bearbeitungszentren geschehen, wie das gerade in der Türkei versucht wird. Nur durch eine gemeinsame Asylpolitik mit einem Quotensystem wird ein richtiger Umgang mit der Flüchtlingssituation – und in weiterer Folge eine Verbesserung des Lebens von Flüchtlingen – möglich sein. Natürlich müssten die europäischen Mitgliedsstaaten dem zustimmen, auch mittel- und osteuropäische Staaten und Dänemark. Wir brauchen also eine deutsch-französische Initiative, die klar macht: Entweder wir leisten alle einen Beitrag, und Solidarität gilt für alle, oder wir müssen alle auf dem Solidaritätsgedanken basierenden Förderungen wie Struktur- und Landwirtschaftsförderungen neu prüfen. Take it or leave it.

Unterdessen muss man gegen die Ursachen dieser Migrationsströme vorgehen. Das heißt, den Krieg in Syrien beenden. Es ist notwendig, in Syrien zu intervenieren. Hunderte flüchten jeden Tag aus Raqqa. Sie möchten dort nicht mehr leben. Wohin können sie gehen? Wenn wir den Konflikt nicht beenden, wird es drei, vier, fünf Millionen Flüchtlinge geben.

Die Europäische Union hat ja bereits viel getan in Sachen Vereinheitlichung der Grenzpolitik, Budget für Frontex etc.

Mit Frontex zahlen wir den Preis für unser inkonsequentes Verhalten. Wir haben die Italiener gezwungen, mit Mare Nostrum Schluss zu machen. Frontex wurde geschaffen, um Schmuggler zu stoppen und Menschen davor abzuschrecken, nach Europa zu kommen. Es gab so viele Tote im Mittelmeer und so viel mediale Aufmerksamkeit, dass Frontex nun Mare Nostrum ablöst. Noch einmal, nachdem es keine gemeinsame Asylpolitik gibt, stellt sich das Problem, dass nur Deutschland das Asylrecht beeinflussen kann. Das ist Merkels Problem. Sie möchte nicht noch mehr Flüchtlinge. Aber es gibt nur eine Haltung, die sie einnehmen kann: Das Recht auf Asyl ist kein Zahlenspiel. Man kann unmöglich sagen, dass dieses Recht für 10.000 Menschen gilt, aber nicht für den 10.001ten. Weil es ein Recht ist. Merkel sagt, dass Europa entweder dieses Recht wahren muss, was bedeuten würde, dass Europa als ganzes sich mit der Flüchtlingsfrage auseinandersetzen muss, oder aber die Lage untragbar würde. Derzeit gibt es keine gemeinsame Haltung zum Recht auf Asyl. Es gibt keine verfassungsrechtliche Basis für eine europäische Asylpolitik.

Migration und integration

Wir haben davon gesprochen, wie man das Recht auf Asyl umsetzt. Wird in der derzeitigen Diskussion über die Frage gesprochen, wie man mit Immigration umgeht? Die Debatte scheint sich vollkommen auf die Flüchtlingsfrage verlagert zu heben, auf den Status der Flüchtlinge und auf das Recht auf Asyl. Als ob Immigration kein Menschenrecht mehr wäre.

Man muss da genauer sein. Das Recht auf Asyl ist ein Menschenrecht. Immigration ist keines. Immigration kann notwendig und nachvollziehbar sein, ist rechtlich aber schwer durchzusetzen. Flüchtlinge sind Menschen, die sich in Lebensgefahr befinden und beschützt werden müssen. Immigration (den Begriff „Migrant” finde ich lächerlich, weil er alles durcheinanderbringt) ist von dem Wunsch bestimmt, sich angesichts des weltweiten wirtschaftlichen Ungleichgewichts ein Leben in einem reichen Land aufzubauen. Ich bin dafür, Immigration mithilfe quantitativer Richtlinien gesetzlich zu regeln. Hier liegt der große Unterschied zwischen Immigration und dem Recht auf Asyl: Jedes Land Europas (dasselbe gilt für die USA) hat das Recht, Zahlen festzulegen – ob wir ihnen nun zustimmen oder auch nicht: zum Beispiel 200.000 oder 300.000. Das ist nicht unmenschlich! Ich erinnere mich an die Worte des früheren französischen Premierministers Michel Rocard: „Wir können nicht das Leid der ganzen Welt bei uns aufnehmen, aber jeder muss sich selbst fragen: Wieviel davon kann ich aufnehmen?” Die Immigrationsgesetzgebung hat die Bedürfnisse eines Landes zu berücksichtigen.

Es scheint sinnvoll, den Zustrom an Immigranten in irgendeiner Form zu kontrollieren, aber unsere Sprache ist auch wichtig. Derzeit reden wir nicht mehr von „guten”, sondern von „schlechten” Migranten.

Im Moment findet eine Migration historischen Ausmaßes statt, so kommen etwa türkische Immigranten nach Deutschland oder nordafrikanische: Sie sind gegen Syrer, gegen Roma … In Deutschland wurde Merkel und den deutschen Konservativen verständlicherweise vorgeworfen, über kein Gesetz zu verfügen, das Immigration regelt. Eine Immigrationsgesetzgebung ist politisch und symbolisch wichtig, weil sie ein Land als Einwanderungsland definiert. Was wir brauchen, ist ein Gesetz zu europäischer Immigration, das Europa wie die USA politisch als eine Union definiert, in der Immigration stattfindet. Es ist wahr, dass die USA ihre Grenze zu Mexiko geschlossen halten. Es ist jedoch auch wahr, dass sie jedes Jahr hunderttausende Green Cards ausstellen. Genau das wird notwendig sein, wenn unsere Gesellschaften die Tatsache akzeptieren sollen, dass wir diese reguläre Zuwanderung zu bewältigen haben – die natürlich nicht allein aus Asylsuchenden besteht.

Es gibt noch ein anderes Problem: Früher oder später werden Dinge wie Köln passieren. Es wird wichtig sein, einen Diskurs darüber zu schaffen, dass Immigration schwierig ist. Wir dürfen die Situation nicht schönreden: „Es ist wunderbar, das ist Vielfalt, wir werden einander lieben und voneinander lernen …” Es ist eine große Herausforderung, denn es gibt Momente großer historischer Veränderungen, die vollkommen anders sind. Wir müssen – alle von uns – akzeptieren, dass Kulturschock zu Immigration dazugehört und extrem brutal sein und zu furchtbaren Dingen führen kann. Dennoch müssen wir – nachdem dies nicht zu verhindern ist – zumindest in der Art und Weise, wie wir über Dinge sprechen, die mit Immigration verbundenen Probleme so offen wie möglich zu beschreiben versuchen.

Das ist eine der größten Herausforderungen, denen sich Merkel gegenübersieht, und natürlich wird sie wieder kritisiert. Wie geht sie mit dem Thema Integration um? Sie hat viele Kritiker.

Ja, weil sie einen Fehler gemacht hat. Ich war 1989 stellvertretender Bürgermeister von Frankfurt. Zu dieser Zeit wollte Deutschland keine Migranten nehmen. Man sagte: „Wir sind kein Einwanderungsland”. Die erste grün-rote Koalition gab es 1989. Ich schlug vor, das Amt eines stellvertretenden Bürgermeisters mit Zuständigkeit für Immigration zu schaffen. Im Text schrieben wir: „Frankfurt ist eine Einwanderungsstadt.” Die Sozialdemokraten lehnten den Text ab. Sie rechtfertigten ihre Haltung mit der Begründung, dass sie den Arbeitern das nicht antun könnten. Und wir sprechen hier nicht einmal von der CDU … Wir haben drei Stunden gebraucht, um uns auf eine endgültige Version zu einigen: „Frankfurt ist eine zunehmend multikulturelle Stadt.” Das waren die Sozialdemokraten! Nach dem Krieg, 1950, kamen 12 Millionen Flüchtlinge aus Russland, aus dem Osten. Es gab einen zuständigen Minister. Es gab ein stattliches Budget für Integration! Das war auch sinnvoll: Wenn 12 Millionen Menschen kommen, wird es auch Probleme geben. Merkel ist verstrickt in die Widersprüche ihrer eigenen Partei und hat nicht den Mut, den Verstand und die Weitsichtigkeit, einen Immigrationsminister zu ernennen, so wie es auch einen Innenminister gibt. Am wichtigsten wäre, das Thema Immigration aus dem Aufgabenbereich des Innenministeriums zu streichen. Solange dieses Ministerium für Immigration zuständig ist, wird das Thema mit Sicherheit und Polizei assoziiert werden. Das Problem mit Immigration ist, dass es nicht einfach ein Problem der Polizei ist: Vielmehr ist es eine Frage der Schulreform, der Integration, der Sozialarbeit etc. Hier liegt Merkels großes Problem. […] Wir brauchen einen EU-Kommissar für Integration, der über ein europäisches Budget verfügt, um in Zusammenarbeit mit den Mitgliedsstaaten und den Regionen Initiativen in Schulen etc. entwickeln zu können.

Die rückkehr zu grenzen

Es sind weniger die physischen Grenzen als die Grenzen in den Köpfen der Menschen. In mittel- und osteuropäischen Ländern gibt es viel Großzügigkeit und Solidarität, doch manchmal auch eine vereinfachende – weiße, katholische – Sicht der Dinge; sie kommt angesichts der Flüchtlingskrise zum Vorschein. Warum?

Das ist irrational, keine Ahnung. Die Angst vor anderen hat etwas Irrationales, sie ist unerklärlich. Die Antwort lautet: In osteuropäischen Ländern muss man dem Papst folgen. Wenn irgendjemand die polnische Gesellschaft aufrütteln kann, dann der Papst. Er hat kürzlich 10.000 Flüchtlinge zu seinem Urbi et Orbi eingeladen: Polen tritt ins Zeitalter der offenen Gesellschaft ein. Das Land hatte keine Ahnung was das ist. Es wird lange dauern, bis die Spannungen nachlassen.

Immer wenn Einwanderer mit neuen Verhaltensweisen ins Land kommen, gibt es Spannungen. Heute kämpfen wir mit der Aggressivität des Islamofaschismus; er ist beängstigend, und zeigt Wirkung. Die Menschen sehen Daesh  im Fernsehen. Das führt zu Angst und existenziellen Krisen in den Menschen.

Ist der ethnozentrische Diskurs über Sicherheit und Demokratie nach dem 11. September 2001 schärfer geworden? Hat er in den Köpfen der Menschen Grenzen errichtet und ihnen eine Angst vor anderen eingeflößt?

Ja, aber der 11. September hat gezeigt, wie tief die Kluft ist. Wir hatten das nicht voll und ganz verstanden. Es ist die Realität unserer Gesellschaften. Wir stehen nun vor der Frage, wie wir Brücken bauen und diese Kluft überwinden können. Mit wem? Wo?

Was sagt unser Umgang mit der Flüchtlingskrise und sowohl physischen als auch mentalen Grenzen über uns und unsere Meinungen?

Er lehrt uns, dass noch viel zu tun ist. Er lehrt uns, dass „Europa nicht gottgegeben” ist. Wir befinden uns im Moment in einer neuen und notwendigen Phase historischer Entwicklung. Europa wurde aus der Erfahrung des Krieges geschaffen. Heute befinden wir uns in einer Phase des europäischen Projektes, die von dem Zeitalter der Globalisierung geprägt ist. Das verlangt große Anstrengungen. Es ist hart. Wir werden noch viel mehr Phantasie brauchen, aber wir dürfen uns nicht entmutigen lassen. Nur weil es hart ist, heißt es noch lange nicht, dass es unmöglich ist. Ein Nationalstaat inmitten der Globalisierung ist auch nicht möglich. Das funktioniert nicht. Zumindest theoretisch können wir zeigen, dass das nie funktioniert. Ich kann theoretisch zeigen, dass Europa funktionieren kann. Jetzt müssen wir handeln. So einfach ist das.

Einfach zu sagen, dass das ein politisches Problem ist, kein kulturelles, ändert schon etwas.

Ja, es ist ein politisches Problem, wenn wir die kulturellen Widersprüche verstehen können. Es wäre nachlässig, die kulturellen Widersprüche zu leugnen.