Die COP 22 in Marokko ist ein erster entscheidender Test dafür, wie tragfähig der Durchbruch aus Paris ist – gerade auch im Angesicht der Wahl Donald Trumps zum neuen US-Präsidenten, die für den Klimaschutz nichts Gutes verheißt. Ob die Ziele des Klimavertrags tatsächlich erfolgreich implementiert werden – und implementiert werden können – hängt zu einem erheblichen Teil auch davon ab, ob es gelingt, private Kapitalströme weg von fossilen Brennstoffen und hin zu nachhaltigen Investitionen zu lenken. „Green Finance“ ist derzeit eines der groß werdenden Themen auf internationaler Ebene, unter anderem innerhalb der G20-Gruppe.

Bereits seit Jahren lanciert die Divestment-Bewegung überall auf der Welt Kampagnen mit dem Ziel des Abzugs von Investitionen aus fossilen Energien – mit erstaunlichem Erfolg. Verleiht sie der Klimaschutz-Bewegung neuen Schwung? Ist Divestment ein Nebenschauplatz oder zentrale Stellschraube im Kampf gegen den Klimawandel? Wie kann Politik – und wie können die Grünen – darauf reagieren? Diesen Fragen wollen wir nachgehen.

Neuer Ansatz, ungewohnte Allianzen – die Divestment-Idee und wichtige Erfolge

Bisher dominiert eine nachfrageorientierte Strategie die globalen Bemühungen in der nachhaltigen Energiepolitik: niedrigere Energieintensität, Energie sparen, Erneuerbare fördern. Mit dieser Formel soll letztendlich der Verbrauch fossiler Energieträger gemindert werden. Angesichts der Tatsachen, die tagtäglich geschaffen werden, reicht dieser Ansatz jedoch nicht mehr.

Zunehmend richtet sich nun Aufmerksamkeit auf die Beschränkung des Angebots an Gas, Öl, und vor allem Kohle. An der Speerspitze steht hier die Fossil Fuel Divestment Bewegung. Diese zielt darauf ab, Investoren zum Abzug ihrer Anlagen aus dem fossilen Geschäft zu bewegen. Im Unterschied zu traditionell moralisch unterfütterten Klimakampagnen schlägt die Bewegung also vermeintlich eine ganz andere Richtung ein.

Divestment hebt sich auch ab von der bisher oft abstrakten Klimabewegung, die von schwer fassbaren Forderungen geprägt ist. Sie benennt Gegner und Ziele klar. Institutionen wie Kommunen, Universitäten, Banken oder Pensionsfonds werden unter die Lupe – und dann ins Visier – genommen. Das Ziel ist, dass diese ihr Geld nicht in Firmen investieren, die ihr Geld mit Kohle, Öl und Gas verdienen.

Besonders eloquent erklärte 2012 Umweltaktivist Bill McKibben die Räson hinter der Divestmentlogik. Wenn es die internationale Staatengemeinschaft tatsächlich mit dem Ziel ernst meint, die Erderwärmung auf unter zwei Grad zu begrenzen, muss sie der Ausbeutung fossiler Rohstoffe in relativ kurzer Zeit ein Ende bereiten. So stellten Forscher der Universität Oxford jüngst fest, dass in der Tat bei Beibehaltung des Ziels schon ab 2017 grundsätzlich keine neuen Kohlekraftwerke mehr gebaut werden dürften – weltweit. Und eine Studie verschiedener großer NGOs unter der Leitung von „Oil Change International“ kam sogar zum Ergebnis, dass bereits die potentiellen Emissionen der heute betriebenen(!) Felder und Minen an Kohle, Öl und Gas zu einem weltweiten Temperaturanstieg von über 2 Grad Celsius führen würden, ganz zu schweigen von der Erschließung und Nutzung neuer Reserven.

Ein Großteil der fossilen Ressourcen muss demnach in der Erde bleiben. Der Börsenwert der konventionellen Energieriesen – Shell, Total, Exxon Mobil etc. – beruht jedoch zum Großteil auf diesen Reserven. Können diese nicht ausgebeutet werden, bedeutet das im Umkehrschluss, dass diese Unternehmen zum Investitionsrisiko werden. Eine Studie der HSBC Bank zeigt, dass Unternehmen der fossilen Energiewirtschaft zwischen 40 und 60 Prozent an Wert verlieren könnten, schon wenn das Zwei-Grad-Ziel konsequent umgesetzt würde. Das heißt, dass Investitionen in fossile Infrastruktur früher oder später zu sogenannten „Stranded Assets“ mutieren, also ihren Wert verlieren. Makroökonomisch führt das zu einer immer größer werdenden Carbon Bubble. Soweit die Theorie.

Auch wenn die Divestmentbewegung in der Klimadebatte das Feld eher als Neuankömmling aufmischt, ist die grundsätzliche Strategie alles andere als neu. Vom Rüstungsgeschäft über die Tabakindustrie bis Pornographie – die Liste von Divestmentzielen ist lang. Und dabei lassen sich auch einige Erfolge identifizieren. So trug eine Kampagne in den 80er Jahren dazu bei, dass das südafrikanische Apartheid-Regime international in die Isolation getrieben wurde. Die Bewegung hatte maßgeblichen Anteil daran, dass Südafrika aufgrund der zunehmend negativen öffentlichen Wahrnehmung an Legitimität verlor.

Nach und nach ergibt sich eine immer stärker werdende Dynamik – die Divestment-Bewegung ist damit eine der wenigen, die derzeit wächst und Durchschlagskraft entfaltet – und das sogar auf europäischer und globaler Ebene. Uns sie erzielt ganz konkrete Erfolge. Eine Reihe vor allem US-amerikanischer und britischer Universitäten haben bereits die Entscheidung getroffen, aus fossilen Investments auszusteigen. Dies gilt ebenfalls für Großstädte wie Oslo, Berlin, Paris oder San Francisco. Der riesige Pensionsfonds des Bundesstaates Kalifornien hat beschlossen, alle Kohleanlagen aus seinem Portfolio zu streichen, ebenso wie der staatliche norwegische Pensionsfonds, weltweit einer der größten Investoren überhaupt.

Auch private Firmen haben sich zu einem (oft teilweisen) Divestment bekannt, etwa die Allianz AG, die Nordea Bank oder der Versicherungskonzern Axa. Hinzu kommen Glaubensgemeinschaften wie die schwedische Kirche oder der Lutherische Weltbund bis hin zu Berufsorganisationen wie der British Medical Association. Sogar die Rockefeller Foundation, deren Stiftungsvermögen aus dem Ölgeschäft stammt, verabschiedet sich jetzt von fossilen Investitionen.

Der Wert der Institutionen, die bisher ihre Investitionen abgezogen haben, beläuft sich bis dato auf etwa 3,4 Billionen Dollar. Diese Zahlen spiegeln sich nun auch medial wider. Der britische Guardian rief beispielsweise 2015 eine groß aufgemachte Medienkampagne ins Leben, die explizit zum Divestment auffordert. Divestment lässt sich also nur noch schwerlich als Nischenthema abtun.

Die Divestment-Strategie

Politische Diskussionen polarisieren oft: Demokraten gegen Republikaner, für oder gegen Brexit, Bio-Anbau oder konventionelle Massentierhaltung. Die Geschichte zeigt jedoch, dass Kampagnen auch dann besonders wirksam sind, wenn Akteure mit ursprünglich entgegengesetzten Motivationen in gemeinsamer Sache zusammenkommen.

Besonders leicht veranschaulicht dies der Fall der „Schmuggler und Baptisten“. Während der Prohibition in den USA schielten erstere auf höhere Gewinne aus illegalen Alkoholgeschäften. Gleichzeitig forderten bestimmte religiöse Gruppen aufgrund moralischer Bedenken das Alkoholverbot. Das Ergebnis: eine implizite Partnerschaft, innerhalb derer beide Gruppen aus völlig unterschiedlicher Interessenlage den Fortbestand der Prohibition begünstigten.

Profit und Moralität spielen auch beim Thema Divestment eine zentrale Rolle. Um möglichst effektiv agieren zu können, muss die Bewegung beide Aspekte bespielen.

Dass Umweltaktivisten mit Wirtschaftsakteuren zusammenarbeiten, ist zunächst kein wirklich neues Phänomen. Traditionell spielt sich dies jedoch in Bereichen ab, die Win-Win Situationen versprechen. Betrachtet man dagegen Divestment, geht es darum, einem ganzen Wirtschaftszweig das Wasser abzugraben.

Aus diesem Grund ist es ungemein wichtig, einflussreiche Partner innerhalb der Wirtschaft zu finden. Ausreichende Resonanz erreicht die Bewegung nur, indem sie sich der Sprache der Finanzbranche bedient und deren interne Logik übernimmt. Dabei geht es aber auch darum, die Business-Lobby zu schwächen. Denn diese entfaltet ihre volle Kraft nur, wenn sie in gemeinsamer Sache gegen Regulierung kämpft.

Letztlich beruht die Divestmentkampagne jedoch auf politischen Forderungen. Die Verwirklichung des 2-Grad-Ziels bildet dabei das Fundament, auf dem sie aufbaut. Dieses hat durch das Pariser Abkommen aus dem letzten Jahr noch einmal Schub bekommen. Die gegenwärtigen nationalen Klimaziele sind unzureichend, und würden zusammengenommen zu einer Erderwärmung von mehr als drei Grad führen, wie der jüngste Bericht des UN-Umweltprogramms UNEP zeigt. Zudem erwähnt das Pariser Abschlussdokument fossile Energien mit keinem Wort, obwohl diese bekanntlich den Kern des Problems ausmachen. Parallel zu den Entscheidungen, die von Investoren getroffen werden, muss sich also auch die Politik bewegen.

Wenn man Divestment als Bewegung betrachtet, sollte man im Auge behalten, dass sich die möglichen Erfolge in unterschiedlicher Art und Weise einstellen können. Dementsprechend wäre es eine unrealistische Erwartungshaltung, Ergebnisse nur daran zu bemessen, wie viele Milliarden Investoren aus den Unternehmen abziehen. Signalzeichen sind langfristig wichtiger.

Unmittelbar steht im Vordergrund, dass der Abbau von Kohle und die Förderung von Öl und Gas gesellschaftlich delegitimiert werden. Als Vorbild dienen hier die Strategien, die dazu beigetragen haben, dass Apartheid-Südafrika und die Tabakindustrie ihre Legitimation verloren. Im Falle von Fossil Fuel Divestment gestaltet sich dies natürlich ungleich schwieriger. Südafrika ließ sich relativ leicht umgehen. Der Tabakkonsum lässt sich mit etwas Anstrengung beenden. Dagegen bilden Öl, Gas und Kohle den Antrieb der Weltwirtschaft.

Es müssen daher klare Fronten geschaffen werden. Klimaforscher Richard Heede argumentiert in diesem Zusammenhang, dass ein überwiegender Teil der globalen CO²-Emissionen auf die Aktivitäten von nur 90 Unternehmen zurückzuführen sind. Diese operieren aber nur solange, bis ihnen die gesellschaftliche Lizenz entzogen wird.

Die Idee, dass die Wirtschaft grundsätzlich in soziale Strukturen eingebettet ist, geht auf Karl Polanyi zurück. Es wird gesellschaftlich entschieden, welche Arten des Wirtschaftens akzeptabel sind und welche nicht. Dass Exxon Mobil beispielsweise seine Investoren über die Klimarisiken des Ölgeschäfts wissentlich belogen hat, zeigt, dass fossile Unternehmen in einer modernen Gesellschaft zunehmend an Legitimität verlieren und sich illegaler Methoden bedienen, um diese Entwicklung aufzuhalten. Gegen den fossilen Riesen ermittelt nun nicht nur die Staatsanwaltschaft New Yorks, sondern auch die US-amerikanische Börsenaufsicht SEC.

Wie im Falle Südafrikas geht es demnach um eine grundsätzliche politische Aussage: Ist die fossile Industrie in unserer Gesellschaft noch legitim? Oder wird sie lediglich künstlich am Leben gehalten? Je nachdem welche Berechnungsgrundlage verwendet wird, genießt die Industrie beispielsweise Subventionen  in Höhe von zwischen 500 Millionen und 5,3 Billionen US-Dollar. Das ist ein Vielfaches dessen, was Erneuerbare an Förderung erhalten.  Hinzu kommen private Investitionen in die fossilen Energien von über einer Billion Dollar jährlich. Diese Zuwendungen sollen stigmatisiert werden, sowohl aus volkswirtschaftlicher wie aus moralischer Sicht. Und dies funktioniert in immer größerem Stil.

Green Finance – Nachhaltige Investitionen als andere Seite der Medaille

Kapital in großem Stil aus der fossilen Energiewirtschaft abzuziehen, führt unmittelbar zur Herausforderung, wie dieses Kapital stattdessen investiert wird. Es ist naheliegend, dass sich Investitionen in erneuerbare Energien, saubere Mobilität oder innovative, klimafreundliche Produkte anbieten. Doch das ist weniger trivial, als es sich zunächst anhören mag.

Laut des aktuellsten „World Energy Investment Outlook“ der Internationalen Energieagentur aus dem Jahr 2014 sind bis 2035 rund 50 Billionen US-Dollar an Investitionen notwendig, um „nur“ das Zwei-Grad-Ziel der globalen Erwärmung zu erreichen. Das Potential ist also da. Dennoch tun sich Finanzmarktakteure weiterhin oft schwer damit, ihre Anlagen „ergrünen“ zu lassen. Zwar liegen mittlerweile tatsächlich die Investitionen in Erneuerbare über denen in fossile Energien, doch verläuft dieser Prozess nach wie vor deutlich zu langsam.

Und das muss nicht allein an mangelndem Willen liegen. Denn heute sind beispielsweise Vermögensverwalter in den meisten Ländern gesetzlich dazu verpflichtet, die Gewinne ihrer Anteilseigner zu maximieren. Dies verhindert häufig eine Investitionsstrategie, die sich an langfristigen Umwelt- und Sozialstandards orientiert, und stattdessen wird kurzfristigen Gewinnen hinterhergejagt. Eine entsprechende Anpassung der rechtlichen Grundlagen zur Treuhandpflicht ist daher ein erster, aber entscheidender Schritt zur nachhaltigeren Ausrichtung der Finanzmärkte.

Ein weiteres, sehr grundlegendes Hindernis besteht in der Transparenz und Vergleichbarkeit von Unternehmensdaten. Heute besteht ein Wirrwarr aus weltweit rund 400 unterschiedlichen Berichtsstandards, die es auch institutionellen Anlegern nahezu unmöglich machen, tatsächlich „Grüne“ Anlagemöglichkeiten zu identifizieren. Es braucht daher einen einheitlichen und anerkannten Berichtsstandard, der sich eben nicht auf die finanziellen Daten beschränkt, sondern nicht-finanzielle Indikatoren wie CO2-Intensität berücksichtigt. Diese Informationen sind nicht nur notwendig für die Investoren, die bewusst klimafreundlich anlegen wollen, sondern auch für alle anderen: Denn Klimarisiken sind auch Finanzrisiken – Stichwort „Carbon Bubble“.

Für Privatpersonen gibt es schon heute eine Reihe von Angeboten, ihr Geld ökologisch und sozial anzulegen – vom Sparkonto über den Hauskredit bis zum Rentenplan. Und auch institutionelle Anleger haben Orientierungspunkte, etwa eine Reihe von MSCI Indizes, die die ESG-Kriterien (Environmental, Social, Governance) berücksichtigen.

Doch nach wie vor sind nachhaltige Geldanlagen zu sehr in der Nische. Um das zu ändern, braucht es das Engagement der Branche selbst, aber auch entsprechende politische Rahmenvorgaben. Seit einigen Jahren befasst sich damit unter anderem das UNEP mit einer Arbeitsgruppe unter dem Titel „Design of a Sustainable Financial System“. Und zu Beginn dieses Jahres hat auch die „Green Finance Study Group“ der G20 ihre Arbeit aufgenommen. Das Thema ist also auf den höchsten internationalen Ebenen angekommen. Umso wichtiger ist es, dass es dort auf der Agenda bleibt und etwa im Rahmen der deutschen G20-Präsidentschaft 2017 intensiv behandelt wird.

Angekommen in der institutionalisierten Politik?

Und wie sieht es auf anderen politischen Ebenen aus? Zunächst ist die Divestment-Bewegung im positiven Sinne genau das: eine Bewegung. In ihr sammeln sich Studentinnen, Arbeitnehmer, Rentnerinnen und so mancher Unternehmer. Aber im Gegensatz zu vielen anderen Bewegungen hat sie weniger Berührungsängste mit der institutionalisierten Politik. Und das ist eine große Stärke, denn so finden Forderungen und Anknüpfungspunkte schneller ihren Weg in tatsächliches politisches Handeln als dies andernfalls vermutlich der Fall wäre. Politik und Politiker/innen werden häufig nicht zuerst als Gegner gesehen, sondern als potentielle Verbündete.

Und das zeigt Erfolge: Auf lokaler Ebene arbeiten die Gruppen vor Ort häufig mit Politikern der Stadt oder Region zusammen und erzielen konkrete Erfolge. In vielen Staaten Europas haben sich die nationalen Parlamente bereits mit Divestment und der Carbon Bubble befasst.

Und auch auf europäischer Ebene tut sich einiges: So hat grünes Investment erstmals tatsächlich seinen Weg in einen EU-Legislativakt gefunden: Anbieter der beruflichen Altersvorsorge in der EU müssen in Zukunft offenlegen, ob und wie sie ihre Anlagen nachhaltig verwalten. Dies ist (noch?) keine Verpflichtung, aber ein wichtiger Schritt zu mehr Transparenz – und damit zur Möglichkeit, Druck auf die Versicherer auszuüben.

Bereits im April 2016 war die „Carbon Bubble“ auf der Tagesordnung der informellen Sitzung der EU-Wirtschafts- und Finanzminister. Die Richtung der Diskussion war klar: In Zukunft sollen CO2-Risiken transparenter gemacht und in die Preisbildung eingerechnet werden – eine Stärkung des Anreizes, aus CO2-Risiken auszusteigen. Zudem haben die Finanzminister signalisiert, dass sie beim Thema Green Finance von der Kommission mehr Anstrengungen erwarten.

Dazu beigetragen hat sicherlich die Veröffentlichung einer Studie des European Systemic Risk Boards, eines Beratungsgremiums der Europäischen Zentralbank. Deren klare Botschaft: Wird der Übergang zu einem klimafreundlichen Wirtschafts- und Finanzsystem weiter verschleppt und schließlich abrupt vollzogen, drohe eine “harte Landung” mit erheblichen Stabilitätsrisiken sowohl für das Finanzsystem sowie für unsere Gesellschaften insgesamt. Eine wichtige Empfehlung der Expertenrunde ist daher die Durchführung von CO2-Stresstests für Finanzinstitute, um Klimarisiken angemessen managen zu können. Deutlich wird: Die Divestment-Bewegung hat die institutionalisierte Politik erreicht – da bleibt noch viel zu tun, aber die Anfänge sind gemacht.

Zur Rolle der Grünen Parteien in Europa

Die oben genannte Dimension der bereits abgezogenen Investitionen klingt viel, ist jedoch angesichts der Größenordnungen des internationalen Finanzmarkts weiterhin nur ein kleiner Teil. Es ist auch Aufgabe der Grünen Parteien in Europa, den Druck aufrecht zu erhalten und politisch für Anreize zu sorgen, finanziell aus den fossilen Energien auszusteigen. Dieser Aufgabe werden sie vielerorts auf lokaler und regionaler Ebene bereits gerecht.

Die sub-nationale Ebene ist für das Divestment-Thema von entscheidender Bedeutung, denn die Investitionen von Gemeinden, kommunalen Unternehmen oder Landespensionsfonds sind wichtige Hebel, um Investitionen in fossile Energieträger zu verringern. Auch auf nationaler und europäischer Ebene streiten Grüne Parlamentarier in und aus vielen Ländern Europas seit Langem für gesetzliche Weichenstellungen hin zu einem nachhaltigen Finanzsystem.

Doch selbstverständlich sind es nie Grüne allein, die Fortschritte beim Thema Divestment erzielen – und können es nicht sein. Oft ist die Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft entscheidend – von lokalen Fossil Free-Gruppen bis hin zu globalen NGOs.

Daneben braucht es Mehrheiten im politischen Raum. Oft finden sich Anknüpfungspunkte auch in anderen Parteien – so arbeitet schon seit mehreren Jahren etwa im Europaparlament die „Carbon Group“ mit Abgeordneten verschiedener Fraktionen an der Frage, wie ein grüneres Finanzsystem zu erreichen ist. Diese Formen der Zusammenarbeit und Allianzenbildung ist ohne Frage ein Teil des Erfolgsrezepts, das dafür gesorgt hat, dass das Thema in verhältnismäßig kurzer Zeit einen erheblichen Impact erzielt hat.

An vielen Orten in Europa haben Grüne bewiesen, Teil dieser wichtigen Bewegung zu sein. Mit der “Fossil Free 2016”-Kampagne der Europäischen Grünen Partei wird dies noch einmal unterstrichen. Zur ehrlichen Bestandsaufnahme gehört aber auch: In Teilen Europas – darunter insbesondere südliche und östliche Staaten – fruchtet das Divestment-Konzept bislang kaum. Dies mag teilweise mit strukturellen Unterschieden zu erklären sein, etwa eines geringeren Anteils kapitalgedeckter Vorsorgeleistungen des Staates oder Investitionen von Städten und Gemeinden.

Dennoch lassen sich auch hier Hebel finden, um mittels Divestment den Kampf gegen den Klimawandel konkret werden zu lassen – zum Beispiel über staatliche Banken oder öffentliche Unternehmen, die in der Regel über Finanzanlagen verfügen. Auch wenn diese gering sein mögen: das politische Signal ist mindestens so entscheidend wie das finanzielle. Gerade in Staaten, in denen Klima- und Umweltpolitik einen bislang eher untergeordneten Stellenwert einnehmen, kann eine Divestment-Kampagne einen Teil dazu beitragen, diesem Thema Schwung zu geben.

Fazit

Die Divestment-Bewegung ist ein vergleichsweiser neuer, aber bereits sehr schlagkräftiger und dynamischer Akteur im Kampf gegen den Klimawandel. Indem klare Gegner und klare Ziele benannt werden, entfaltet die Klimabewegung an vielen Orten auf der Welt wieder eine neue Dynamik, gerade auch unter jüngeren Menschen. Die Doppelstrategie der Divestment-Bewegung sorgt für ungewöhnliche Allianzen mit Akteuren aus Politik und Finanzwirtschaft. Nur mit diesen vereinten Anstrengungen wird es auch gelingen, den politisch notwendigen Rahmen zu setzen, um die Finanzmärkte tatsächlich ergrünen zu lassen – eine entscheidende Voraussetzung im Kampf gegen den Klimawandel. Die Divestment-Bewegung wird daher immer mehr zum spannenden Akteur und wichtigen Bündnispartner – gerade auch für Grüne Parteien in Europa.