Es verspricht immense Vorteile, wenn Maschinen manuelle Tätigkeiten übernehmen. Das belegen historische Erfahrungen. Die politische Aufgabe besteht also nicht darin, anstehende Veränderungen zu verlangsamen – sondern ihnen demokratischen Charakter zu verschaffen.

Ein katholischer Dorfpfarrer in Österreich erzählt von einer aufschlussreichen Beobachtung, wenn er wahrnehmbare Veränderungen beschreibt. Die Verantwortung seines Amts besteht unter anderem darin, Hinterbliebenen Trost zu spenden, wenn sie enge Angehörige verlieren. Im Zuge der Gespräche erinnern Familienmitglieder immer wieder den Lebensweg der kürzlich Verstorbenen. Biografien wurden dabei früher oft in einem einzigen Satz zusammengefasst: Das Leben war nichts als Arbeit.

Mittlerweile lässt sich ein merklicher Unterschied ausmachen. Eindrücklich wird von Hobbies erzählt, die leidenschaftlich praktiziert wurden. Oft werden Vereine, Institutionen oder Organisationen genannt, denen persönliches Engagement gewidmet wurde. Es finden sich offenbar größere Spielräume, um individuellen Interessen nachzugehen und die eigene Identität zu prägen.

Die Eindrücke, von denen der Priester berichtet, lassen sich durch statistischen Zahlmaterial erklären: Die berufliche Beanspruchung nimmt kontinuierlich ab. Das bildet die Voraussetzung dafür, auch andere Vorlieben zu verfolgen.

Ein Blick in die Vergangenheit hilft, die Gegenwart in Relation zu setzten. Nachdem die industrielle Revolution den Ärmelkanal überquerte, war im Jahr 1870 ein Arbeiter in einer belgischen Fabrik durchschnittlichen 72.2 Stunden pro Woche beschäftigt. Der Wert hat sich bis zum Jahr 2000 nahezu auf 37 Stunden halbiert.

Doch nicht nur die Dauer der normalen Arbeitswoche wurde sukzessive verkürzt. Auch der relative Anteil an Personen, die aktiv am Arbeitsmarkt teilnehmen, geht stetig zurück. Beispielsweise kann nur jeder zweite Einwohner Österreichs, als Teil des nationalen Arbeitskräftepotenzials betrachtet werden. Die andere Hälfte ist entweder zu jung, im Ruhestand, in Ausbildung oder arbeitsunfähig. Nur 34 % der österreichischen Bevölkerung arbeiten in Vollzeit. Ein ausgeprägter Sozialstaat, verlängerte Ausbildungszeiten, Voraussetzung um anspruchsvollen Aufgaben nachzugehen, und alternde westliche Gesellschaften sind entscheidende Faktoren, die den Trend begründen.

Das Ausmaß unbezahlter Arbeit ist ebenfalls deutlich geschrumpft. Zu Beginn des 20. Jahrhundert hat es noch 68 Stunden pro Woche benötigt, um in einem Zweipersonen-Haushalt aufzuräumen, die Kleidung zu waschen und Essen zu kochen. 68 Stunden. Pro Woche. Der Aufwand konnte bis zum heutigem Tag fühlbar reduziert werden. Dieselben Aufgaben im gleichen Haushalt benötigen Dank der Erfindung der Waschmaschine, des Kühlschranks, des Geschirrspülers, des Staubsaugers und anderer Haushaltsgeräte derzeit nur noch 15 Stunden und 24 Minuten.

Weniger Arbeit, mehr Vermögen

Das Zusammenwirken aus Technik und Marktwirtschaft hat einst aus den engen Banden des Feudalismus hinausgeführt und den kollektiven Lebensstandard massiv angehoben. Das durchschnittliche Jahreseinkommen in Italien im Jahr 1300 betrug beispielsweise kaufkraftbereinigt ungefähr 1.300 $. Das blieb mehr oder weniger unverändert so bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts. Auch damals misst das durchschnittliche und kaufkraftbereinigte Jahreseinkommen noch ungefähr 1.300 $. Spätestens mit Einführung und Verbreitung der Dampfmaschine bildet die Moderne aber einen dialektischen Prozess, der verlangt, weniger manuell zu arbeiten um volkswirtschaftlich reicher zu werden. Tätigkeiten werden vom Menschen auf die Maschine übertragen. Eine Erfolgsgeschichte setzt an. Unbekannte Produktivitätssteigerungen werden erzielt.

Zwei zentrale Gründe berechtigen nun zur Erwartungshaltung, dass die Kursrichtung nicht nur fortsetzt, sondern sich beschleunigt.

Erstens, zukünftig wird noch größere Effizienz aufgrund technologischer Innovation realisiert als bisher. Dabei gibt sich die Geschwindigkeit der Veränderung so schnell wie nie zuvor in der menschlichen Zivilisationsgeschichte und wird doch womöglich nie wieder so langsam sein wie gerade der Fall.

Zweitens, zusätzliche Segmente der Volkswirtschaft werden durch die Digitalisierung erfasst. Bereiche, die bisher keine Wertsteigerungen durch technologische Mechanik verbuchen konnten, werden nun teils oder vollständig ins Reich der Technik eingegliedert. Die Digitalisierung greift auf Märkte über, die bisher weitgehend oder gar vollkommen ausgeklammert waren. Nicht nur die Schranken des technologisch Möglichen verschieben sich, auch die Grenzkosten der Anwendung sinken rasant. Der Arbeitsmarkt folgt konsequent dieser Logik.

Eine Untersuchung der Oxford Martin School prognostiziert in diesem Zusammenhang, dass fast jedem zweiten Berufsbild das Risiko anhaftet, in Zukunft maschinell ersetzt zu werden. Die Autoren gründen ihren Ausblick auf einem betont zuversichtlichen Vertrauen hinsichtlich der technologischen Durchbrüche, die in naher Zeit erwartet werden dürfen.

Das McKinsey Global Institute hingegen beschränkt sich in seinen spezifischen Einschätzungen auf die direkten Auswirkungen durch Robotics. Die Marktforschungsagentur errechnet, dass alleine bis zum Jahr 2030 weltweit 800 Millionen Jobs durch moderne und kostengünstige Roboter ersetzt werden.

Das World Economic Forum kalkuliert in Folge, dass womöglich zwei Drittel aller Kinder, die gerade die Grundschule besuchen, einst Berufen nachgehen werden, die heute noch gar nicht existieren. Wie kommt es zur Bewertung? Den Umbruch verursachen vormals abgrenzbare Phänomene, die mittlerweile zusammenwirken und sich wechselseitig verstärken. Die Kombination aus Künstlicher Intelligenz, Robotik, Nanotechnologie, 3D–Druck und Biotechnologie reorganisiert die ökonomische Struktur der Gesellschaft gravierend, der Arbeitsmarkt reagiert dementsprechend.

Die Vorhersagen der OECD wirken im Vergleich dazu fast bedächtig. Eine konservative Grundhaltung gegenüber dem Ansatz, dass Jobs ersatzlos gestrichen werden, bestimmt die Analyse. Die internationale Organisation meint, dass jede zehnte Stelle mit einer hohen Wahrscheinlichkeit behaftet sei, aufgrund von absehbarer Automatisierung eingespart zu werden. Im Vergleich zu den anderen Urteilen erscheint dieser Befund geradezu zurückhaltend. Erst die Details zeigen auch hier die Vehemenz, die erwartet wird. Für möglicherweise die Hälfte aller Anstellungen wird vermutet, dass sich das Aufgabenprofil radikal verändert, da Technologie eine zunehmend wichtige Rolle spielt. Die Aufgabenstellung für Bildungsinstitutionen, öffentlichen Körperschaften und private Unternehmen erscheint enorm, wenn jeder zweite Beruf faktisch nach anderen Fähigkeiten als bisher verlangen würde. Selbst vorsichtige Aussichten wirken demgemäß wie radikale Prognose.

Die allgemeinen Einschätzungen über die Zukunft der Arbeit referieren drei Grundideen, die jeweils unterschiedlich gewichtet werden. Auch in den vier genannten Studien lassen sich die Ansätze deutlich wiedererkennen:

  1. Ein Großteil der vorhandenen Berufe wird ersatzlos gestrichen. Anders als bei bisherigen Umbrüchen, die unsere Arbeitswelt erfasst haben, sorgen diesmal Wesen und Ausmaß des technologischen Einschnitts dafür, dass kein adäquater Ersatz nachkommt. Die bekannte Wechselwirkung, dass für überholte Jobs schlicht neue geschaffen werden, gilt bei der bevorstehenden Disruption nicht mehr. Das macht die Transformation historisch einzigartig.
  2. Der Sohn des Gaslaternenanzünders wurde noch Elektriker. Die Tochter des Kutschers konnte als Taxifahrerin anheuern. Was aber mag nun passieren, wenn Autos und Lastwagen zukünftig gar keine Lenker mehr brauchen? Das soll laut qualifizierter Vorhersage im Jahr 2025 der Fall sein. Alleine in den USA verdienen mehr als ein halbes Prozent der Gesamtbevölkerung den Lebensunterhalt damit, LKWs zu fahren.
  3. Ein weiterer Blickwinkel ergänzt, dass die kommenden Veränderungen nicht nur einen massiven Jobrückgang zur Folge haben, sondern einen tiefgreifenden Strukturwandel im Stellenmarkt erfassen. Neue Fähigkeiten werden gefragt sein, Signale dafür lassen sich bereits ausmachen. Die Anzahl der Jobanzeigen für Berufe, die keine spezifische Ausbildung voraussetzen, fiel beispielsweise in den USA zwischen 2007 und 2015 um 55 %. Die Annoncen, die Daten-Analysten suchen, stiegen über den vergleichbaren Zeitraum um 372 % und jene für Daten-Visualisierung gar um 2574 %. Erprobte Ansätze, einfach die tarifliche Arbeitszeit zu verkürzen, um mehr Personen in den Arbeitsmarkt zu integrieren, wirken vor diesem Hintergrund alleine kaum erfolgsversprechend. Zu sehr unterscheiden sich die Anforderungen zwischen jenen Berufen die vergehen und jenen die entstehen. Doch selbstverständlich werden auch offene Debatten über Mittel und Wege der Arbeitszeitverkürzung geführt werden. Nur der einzige Ansatz können sie nicht bleiben.
  4. Verbleibende Stellen werden ein vollkommen anderes Tätigkeitsprofil ausweisen. Selbst Aufgaben, die momentan weitgehend manuell ausgeführt werden, müssen darauf gefasst sein, sich vermehrt in Mensch-Maschinen-Interaktionen zu wandeln. Technologie dringt in Rahmenbedingungen vor, die bisher kaum davon berührt oder vollständig ausgenommen waren. Gänzlich andere Fähigkeiten werden nunmehr verlangt. Parallel steigt jedoch die Wertschöpfung in den einzelnen Berufsfeldern.

Wie sich die unterschiedlichen Aspekte verweben, zeigt ein aktuelles Beispiel aus der Dienstleistungsbranche. Die japanische Versicherungsgesellschaft Fukoku hat diesbezüglich eine richtungsweisende Entscheidung getroffen. 35 Angestellte waren bis vor kurzem dafür zuständig, eingesandte Rechnungen von Versicherungsnehmern dahingehend zu überprüfen, ob selbstbezahlte Kosten zurückerstattet werden. Die ganze Abteilung wurde inzwischen aufgelassen. Sämtliche Aufgaben werden stattdessen von einer Software übernommen, die Künstliche Intelligenz nutzt. Die Investition wird sich umgehend amortisieren. Die jährlichen Lohnkosten für die Gruppe der Sachbearbeiter beliefen sich insgesamt auf 1,1 Millionen $. Die Anschaffung für das Programm schlägt hingegen einmalig mit 1,7 Millionen $ zu Buche und jährlich werden Betriebskosten von 170.000 $ aufgewandt.

Erfahrungen für die Zukunft

Inklusive Arbeitsmärkte vermögen, gesellschaftliche Teilhabe zu gewährleisten. Sie wirken konstitutiv, um Zugehörigkeit zu einem republikanischen Gemeinwesen zu etablieren. Die Zukunft der Arbeit erfasst also einen Gegenstand, der das politische System und den demokratischen Zusammenhalt auf elementarer Ebene herausfordert. Schon die Zusammensetzung der europäischen Parlamente und die Verfasstheit der Parteienlandschaft spiegeln Chronologie und Ideengeschichte des Arbeitskampfs. Das alleine beweist, wie bedeutsam diese Frage ist. Die historische Auseinandersetzung im Zuge des Arbeitskampfs zielte dabei nicht nur darauf, Einkommensfragen zu debattieren. Vielmehr wurde der materielle Begriff und Status des Bürgers und der Bürgerin selbst verhandelt. Der Ausbau liberaler Grundrechte um eine politisch-partizipative und soziale Dimension wurde konkret im Rahmen dieser Konfrontation erstritten, parlamentarisch moderiert, gewonnene Ansprüche schließlich direkt an die Erwerbsarbeit gekoppelt.

Jetzt erwächst das Risiko, dass BürgerInnenrechte zurückgebaut werden, da sich Umfang und Beteiligung an steter Erwerbsarbeit reduzieren. Besonders soziale BürgerInnenrechte werden vorrangig über den Zugang zu regulärer Erwerbsarbeit verbrieft. Pensionszahlungen, Gesundheitsfürsorge, Krankenpflege, Fortbildung, finanzielle Unterstützung im Bedarfsfall verknüpfen europäische Staatswesen im Regelfall mit regulärem Arbeitseinkommen. Auch die Finanzierung bedient sich häufig eines Verfahrens, das dezidiert mit der Entlohnung manueller Arbeitskraft verbunden wird. Es bedarf umgehend einer Entkopplung dieser Voraussetzung, sonst droht der Rückbau an bürgerlichen Grundrechten. Nur die einschränkungslose Universalisierung der Rechtsansprüche würde es erlauben, den Kanon auch dann zu garantieren, wenn die Arbeitsgesellschaft abgewickelt wird.

Auch weitere Rückschlüsse lassen sich durch die historische Perspektive ziehen: Der Einsatz bahnbrechender Produktionsverfahren vermehrt kontinuierlich gesellschaftlichen Reichtum und verringert gleichzeitig den menschlichen Anteil an der aggregierten Wertschöpfung. Geschichtsbücher bezeugen ebenso, dass sich die zusätzlichen Profite erstmal an der Spitze der sozialen Pyramide konzentrieren. Die industrielle Revolution führte unmittelbar zu einer Akkumulation der Wohlstandsgewinne in den Händen einiger weniger. Diese Ungerechtigkeit wurde schließlich effektvoll behoben, als zuverlässige Umverteilungsmechanismen gefordert und etabliert wurden. Erst nachdem die Prinzipien der allgemeinen Gesundheitsversorgung und der progressiven Besteuerung garantiert sind, mildern sich die Folgen der Industriegesellschaft. Die Forderung nach einer kollektiv finanzierten Krankenversicherung wurde diesbezüglich äußerst vernünftig begründet. Das Argument besagte sinnigerweise, dass sich systemische Risken gemeinschaftlich besser tragen lassen. Einen gleichlautenden Appell an die Solidarität würde es heute verlangen. Die erwartbaren Umstellungen in der Arbeitswelt verursachen individuelle Unsicherheiten, die gerecht und vernünftig geteilt werden sollten. Weil sich wenige der existenziellen Bedeutung der Sache entziehen können, findet sich faktisch ein weitreichendes Interesse daran, belastbare Schutzmechanismen einzuziehen.

Denkbare Fortgänge

Falls dieser Ansatz nicht vorangetrieben wird, könnten sich vorhandene Tendenzen sozialer Desintegration verschärfen. Ein hochkompetitiver Arbeitsmarkt samt eingeschränktem Sozialstaat würde die soziale Ungleichheit weiter anheben. Die Forderung nach einer restriktiven Arbeitsmarktpolitik, die Ausgrenzung und Abschottung verlangt, mag sich dann rasant intensivieren. Zugangsbarrieren werden erhöht, was äußerst kontraproduktiv für die Modernisierung einer Volkswirtschaft wäre. In der praktischen Umsetzung verbindet sich dieses Unterfangen allzu oft mit der Vorstellung nationaler Schutzräume.

Die hauptsächlichen Ursachen für die Verwerfungen am Arbeitsmarkt macht dieses Denkkonzept vor allem in den Migrationsbewegungen aus. Dass als wirksame Kraft hinter dem Wandel jedoch Technologie steckt, ignoriert die Einstellung vollkommen. Weil die Grunddisposition nicht stimmt, erweisen sich die vorgeschlagenen Lösungskonzepte als wenig ertragreich und ideologisch eingefärbt. Aus dieser Argumentationskette gilt es auszubrechen, um das emanzipative Potenzial von Innovationen zu verwirklichen. Technologie würde sonst keinen Fortschritt veranlassen, sondern als Vehikel agieren, um demokratische Errungenschaften zu demontieren und autoritäre Strömungen zu stärken.

Eine weitere denkbare Variante bestünde in der hartnäckigen Fortdauer des Vorhandenen. Automatisierung aufgrund neuer technologischer Werkzeuge nimmt zu, doch zeitgleich werden rechtliche und politische Adaptionen verabsäumt, die gleichermaßen geboten und machbar erscheinen. Wie bisher werden Phasen der Erwerbsarbeitslosigkeit einfach durch Ämter registriert, verwaltet, statistisch geschönt, durch wirkungslose Schulungen überbrückt, als persönliche Verfehlung oder Stigma betrachtet. Solange sich die Erosion klassischer Erwerbsarbeitsmodelle administrativ regulieren lässt, beweisen bewährte Vorgehensweise starke Beharrlichkeit. Alternativen werden keine angedacht. Akzeptiert wird dabei der Sachverhalt, dass eine wachsende Personengruppe von sozialen Bürgerrechten ausgeschlossen wird, strukturelle Probleme als behördliche Aufgabe nicht als politische Herausforderungen angesehen werden.

Ein anders lautender Gegenvorschlag erhebt die Forderung, eine aktivistische Arbeitsmarktpolitik zu initiieren. Klassische Vollbeschäftigung würde wieder das Leitmodell politscher Maßnahmen und den Erfolgsindikator ökonomischer Systeme bilden. Eine Abkehr von diesem Grundprinzip erschiene gemäß der Auffassung weder wünschenswert noch möglich, da die Arbeitsgesellschaft selbst die anstehende Krise überdauern wird. Wenn Jobs verloren gehen, muss adäquater Ersatz geschaffen werden. Gerade in der Pflege, im Bildungswesen, im sozialen Bereich würden zusätzliche Arbeitskräfte dringend benötigt. Es verlangt nur nach Neuverteilung und Neuzuteilung von Aufgaben. Doch nicht jeder wird den Wunsch verspüren, wenn das eigene Berufsfeld ausradiert wird, nunmehr wahllos einen der verbleibenden Jobs auszufüllen. Eine liberale Gesellschaft kann mit dem Recht auf Faulheit umgehen, darf aber die Idee der Zwangsarbeit nicht akzeptieren, da sie den Grundrechten individueller Freiheit direkt widerspricht.

Grüne Antworten

Wie könnte nun eine prononciert grüne Position in der Debatte aussehen? Das Thema von der Zukunft der Arbeit appelliert auch in diesem Fall an essenzielle Wesenszüge.
Seit den Anfängen bedenken die Grünen einen Doppelbezug, um dem eigenen Bewusstsein Konturen zu geben. Ein biologischer Vergleich drängt sich auf. Wie die menschliche DNA verbindet auch die DNA der Grünen eine Doppelhelix. Der eine Strang trägt den Umweltschutz als Imperativ. Der zweite Strang erfasst den zivilen Einsatz für BürgerInnenrechten. Beide wirken in Verbindung miteinander und formen einen politischen Verantwortungsbegriff, der vorausschauend denken und partizipativ agieren möchte.

Aufgrund der Bedeutung des Umweltschutzes kultivierte die grünen Parteien anfänglich ein zweischneidiges Verhältnis hinsichtlich fortschrittlicher Technologien. Ursprünglich wurden sie als potenzieller Ausgangspunkt ökologischer Verheerungen betrachtet. Die Grünen müssten also aus Tradition vor naiven Technikoptimismus gefeit sein.

Andererseits verlangt es dringlich nach ressourcenschonenden, intelligenten, emissionsneutralen Produktionsverfahren. Solche Innovationen würden Auswege aus der schädlichen Karbonwirtschaft aufzeigen, um die Folgewirkungen des Klimawandels und der Umweltzerstörung zu begrenzen. Technologien, die sich gerade im jungen Entwicklungsstadium befinden, bilden die operative Basis für selbstdenkende Systeme, vollautomatisierte Produktionsanlagen und alternative Energiegewinnung. Sie ließen sich dafür modulieren, ertragreich nachhaltige Fertigungsmethoden aufzubauen.

Zukünftige Technologien könnten verschwenderische und destruktive Produktionsmechanismen runderneuern. Effizienzgewinne und Sparpotenziale kündigen sich an. Alleine weil sie in eine grünere Zukunft führen mögen, sollten die anstehend Veränderungen willkommen geheißen werden. Unter der Vorgabe, Nachhaltigkeit zu erwirken, wird ihnen sogar eine konkrete Stoßrichtung als Leitlinie vorgegeben. Dass sich diese immanenten Potenziale aber tatsächlich verwirklichen, wird weder automatisch noch von alleine geschehen. Es bildet eine politische Aufgabenstellung, dafür Sorge zu tragen. Gelingt es, dann würde Wandel plötzlich als Mittel zum progressiven Zweck gedeutet. An dieser durchdachten Zielvorgabe würde er sich messen lassen müssen. Schon um diesen Standpunkt hörbar zu vertreten, verlangt es eine grüne Positionsfindung.

Denn die demokratische Bestimmung findet sich genau dort: Wie lässt sich der technologische Fortschritt in soziale und ökologische Verbesserungen übersetzen? Wie werden neue Gestaltungsspielräume genutzt, um optimistisch auf die Zukunft einzuwirken?

Vorab erscheint es unumgänglich, Rechtsgarantien von vorhandenen Einschränkung zu entflechten. Es verlangt nach der Verallgemeinerung sozialer Bürgerrechte, sie sollten sich der Kopplung an Erwerbsarbeitsmodelle entledigen. Expansive Forderungen sind auch deshalb geboten, weil neue Märkte, die gerade entstehen, größere Wohlstandsreserven erwirtschaften. Die Finanzierungsquellen der Sozialleistungen müssen dementsprechend neuüberdacht werden. Eine Partei, die für BürgerInnenrechte einsteht, wird diesen Zusammenhang im öffentlichen Diskurs erklären und verfechten müssen. Die sich abzeichnende Arbeitsdebatte wird so zu einer demokratischen Kernfrage.

Es bedingt weiters mutiger Maßnahmen, um die Wissensgesellschaft zu humanisieren, die zwangsläufig auf die ausgediente Industriegesellschaft folgt. Wir sollten uns erlauben, über radikale Ideen nachzudenken, die eine überholte Einheit von Erwerbsarbeit und Einkommen aufhebt. Das Bedingungslose Grundeinkommen erfreut sich vermutlich aus diesen Gründen wachsenden Zuspruchs, nicht im Austausch zu existierenden BürgerInnenrechte sondern in Ergänzung dazu. Es wäre ein lohnenswerter Versuch, möglichst viele vom maschinell erzeugten Gewinn profitieren zu lassen.

Es gilt weiters das öffentliche Bildungssystem entsprechend den Richtlinien des lebenslangen Lernens zu adaptieren. Auf diese Weise würden Bedingungen geschaffen, dass unser Wirtschaftssystem so inklusiv wie möglich operiert.

In der Bildungspolitik lassen sich neue Chancen ergreifen. Wenn die Ausbildung im Hinblick auf konkrete Berufsfelder zum einem vergeblichen Unterfangen wird, weil sich die Anforderungen permanent ändern, finden Schulen und andere Institutionen endlich die Freiheit vor, um vorrangig Ideen der Emanzipation und Aufklärung zu vermitteln. Bildung kann nunmehr darauf abzielen, nicht markttaugliche Qualifikationen zu trainieren, sondern mündige BürgerInnen zu erziehen. Im Geiste der Aufklärung und im freien Verbund eines zivilen Gemeinschaftssinns vermag es das Individuum schließlich, dem Leben auch jenseits der Arbeitswelt Sinn zu stiften. Darauf lässt sich vorbereiten, das lässt sich fördern.

Wird die Gegenwart als Brücke zwischen Zukunft und Vergangenheit betrachtet, finden sich wichtige Hinweise für die Debatte über den Wert von Arbeit. Die Reduzierung der faktischen Arbeitszeit, die sich gerade ankündigt, markiert das nächste Glied einer Kette, die bereits mit der industriellen Revolution ansetzt. Bei aller Ähnlichkeit soll auf einen bedeutsamen Unterschied nochmals ausdrücklich verwiesen werden: Sowohl Geschwindigkeit als auch Ausmaß, mit der die Veränderung heutzutage auftritt, sind ohne Vorbild. Ebenso stimmt, gegenwärtig sind wir als Gesellschaft so reich, gesund, effizient wie nie zuvor in der Geschichte der Menschheit. Diese Erfolgsgeschichte setzt nun an, die nächsten Stufe zu nehmen. Die objektiven Voraussetzungen, um der Erneuerung mit Zuversicht zu begebenen, wären also vorhanden. Es öffnet sich gerade ein historisches Zeitfenster, um konzeptionelle Vorstellungen zu diskutieren, wie sich die bedrängte Arbeitsgesellschaft in neuartige Organisationsformen übertragen ließe. Denn am Ende wandelt sich die Moderne zum Erfolgsmodell, wenn technologischer, politischer und wirtschaftlicher Fortschritt progressiv zusammenwirken, um den BürgerInnen größere Lebenschancen zu eröffnen. An dieser humanen Vorgabe sollte sich die Bedeutung von Politik und Technologie in europäischen Demokratien bewähren und orientieren, gerade auch im Zusammenspiel mit der Zukunft der Arbeit. Darin liegt der tätige Arbeitsauftrag.